Zur Erreichung der Klimaschutzziele von Paris und einer von fossilen Energieressourcen weitgehend unabhängigen Energieversorgung ist eine drastische Steigerung des Ausbaus der Windenergie erforderlich. Als ein wesentliches Hemmnis für den Ausbau der Windenergie an Land hat der Gesetzgeber zurecht den Mangel an Flächen identifiziert. Nach Angaben der Bundesregierung standen zuletzt nur 0,5% der Bundesfläche für die Errichtung von Windenergieanlagen zur Verfügung.

Um dem zu begegnen, hat der Deutsche Bundestag am 07.07.2022 im Rahmen des sog. Osterpakets das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (Wind-an-Land-Gesetz) beschlossen. Das Gesetz wurde am 28.07.2022 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 1353) verkündet und tritt am 01.02.2023 in Kraft.

Ein Kernstück des Gesetzes ist das neue Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG), das den Ländern erstmals verbindliche Flächenziele für den Ausbau der Windenergie an Land vorgibt. Bis Ende 2027 müssen die Länder durchschnittlich 1,4%, bis Ende 2032 durchschnittlich 2% der Bundesfläche für die Windenergie durch Ausweisung von Windenergiegebieten in Raumordnungs- oder Bauleitplänen bereitstellen. Die Zielwerte werden durch einen Verteilungsschlüssel auf die Länder verteilt. Die Flächenbeitragswerte der Länder bewegen sich für das Zieljahr 2032 zwischen 0,5% (Berlin, Bremen, Hamburg) und 2,2% (Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thüringen) der Landesfläche. Zur Erreichung ihres Flächenbeitragswerts können die Länder selbst Windenergiegebiete ausweisen, etwa in einem Landesentwicklungsplan. Sie können aber auch Teilflächenziele definieren, die von den Trägern der Regionalplanung oder den kommunalen Planungsträgern durch Ausweisung von Windenergiegebieten etwa in Regional- oder Flächennutzungsplänen zu erfüllen sind.

Für Baden-Württemberg beträgt der Flächenbeitragswert für das Jahr 2032 1,8% der Landesfläche. Das Landesflächenziel des baden-württembergischen Klimaschutzgesetzes, nach dem in den Regionalplänen für das Jahr 2040 Gebiete in einer Größenordnung von mindestens 2% der jeweiligen Regionsfläche für die Nutzung von Windenergie und Photovoltaik festgelegt werden müssen, korrespondiert damit (noch) nicht.

Zu grundstürzenden Änderungen führt das Wind-an-Land-Gesetz bei den Vorgaben für die Ausweisung von Flächen für die Windenergie. Bislang sind Windenergieanlagen im Außenbereich privilegiert zulässig. Um eine „Verspargelung“ der Landschaft zu verhindern, können in Raumordnungs- und Flächennutzungsplänen Konzentrationsflächen für Windenergieanlagen ausgewiesen werden. Diese Konzentrationsflächen entfalten gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB außergebietlich eine Ausschlusswirkung für Windenergieanlagen. Nach dem Wind-an-Land-Gesetz ist die Konzentrationsflächenplanung für Windenergieanlagen Geschichte. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB findet auf Windenergieanlagen künftig keine Anwendung mehr. Die Ausschlusswirkung bestehender oder noch bis 01.02.2024 ausgewiesener Konzentrationsflächen für Windenergieanlagen entfällt spätestens am 31.12.2027. Die kleinteilige und viele Planungsträger überfordernde Rechtsprechung zu Konzentrationsflächenplanung, die verlangte, im gesamten Planungsraum für die Windenergie ungeeignete sog. harte Tabuzonen zu identifizieren und sog. weiche Tabuzonen festzulegen, auf denen keine Windenergieanlagen errichtet werden sollen, wird für den Bereich Windenergie verabschiedet. Künftig ist es bei der Ausweisung von Windenergiegebieten unerheblich, welche sonstigen Flächen im Planungsraum für die Windenergie geeignet sind.

Die Möglichkeit zur planerischen Steuerung von Windenergieanlagen bleibt allerdings in anderem Gewand erhalten. Künftig gilt, dass Windenergieanlagen im Außenbereich außerhalb von Windenergiegebieten entprivilegiert werden – und damit faktisch unzulässig sind –, wenn festgestellt wird, dass der Flächenbeitragswert bzw. das für die betreffende Region oder Kommune geltende Teilflächenziel erreicht ist. Werden die Flächenbeiträge nicht erreicht, ist der gesamte Außenbereich für Windenergieanlagen offen. Der Druck auf die zuständigen Planungsträger, die geforderten Flächen auszuweisen, ist daher erheblich.

Weitere Änderungen des Baugesetzbuchs betreffen die künftig nur noch eingeschränkte Zulässigkeit landesrechtlicher Abstandsregeln wie der bayerischen „10H-Regelung“ und das Repowering bestehender Windenergieanlagen, das bis 31.12.2030 auch außerhalb von Windenergiegebieten möglich ist, selbst wenn der Flächenbeitragswert oder das Teilflächenziel erreicht ist.

Das ambitionierte Gesetz, mit dem der Gesetzgeber der komplexen Dogmatik zur Konzentrationsflächenplanung für Windenergieanlagen ein Ende bereitet, die in all ihren Feinheiten dazu geführt hat, dass der Aufwand für derartige Planungen enorm ist und dennoch kaum ein Plan der gerichtlichen Kontrolle standhält, ist zu begrüßen. Es ist allerdings absehbar, dass das Wind-an-Land-Gesetz die Gerichte mit einer Vielzahl neuer Fragen beschäftigen wird. Dies betrifft neben Fragen zum Erreichen der Flächenbeitragswerte etwa die künftigen Anforderungen an die Ausweisung von Windenergiegebieten auf den verschiedenen Planungsebenen, die nicht ganz ohne die im Zusammenhang mit der bisherigen Konzentrationsflächenplanung entwickelten Kriterien auskommen wird.

Abzuwarten bleibt, wie die Länder die neuen bundesrechtlichen Vorgaben umsetzen. Sie müssen dem Bund bis 31.05.2024 nachweisen, dass sie Aufstellungsbeschlüsse zur Ausweisung ausreichender Flächen gefasst oder in Landesgesetzen oder Raumordnungsplänen in ausreichendem Umfang regionale oder kommunale Teilflächenziele festgesetzt haben.

Dr. Moritz Lange
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