Der VGH Mannheim hat mit zwei Beschlüssen vom 07.03.2019 (10 S 1817/18 und 10 S 2025/18) entschieden: Die öffentliche Bekanntmachung nach § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV bewirkt die Bekanntgabe eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids nach § 41 LVwVfG und setzt die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Gang.
Im (förmlichen) immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung wird der Genehmigungsbescheid öffentlich bekannt gemacht wird und gilt mit dem Ende der Auslegungsfrist auch gegenüber Dritten, die im Verfahren keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt (§ 10 Abs. 8 Satz 2, 5 BImSchG). Im vereinfachten Verfahren ist nach § 19 Abs. 2 BImSchG keine öffentliche Bekanntmachung der Genehmigung vorgesehen. Auch im vereinfachten Verfahren anwendbar ist jedoch § 21a der 9. BImSchV. Danach ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von der Genehmigungsbehörde öffentlich bekannt zu machen, wenn der Träger des Vorhabens dies beantragt. Für Vorhabenträger kann eine öffentliche Bekanntmachung nach § 21a der 9. BImSchV sinnvoll sein, um auch im vereinfachten Verfahren die Rechtsbehelfsfristen (z.B. die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) in Gang zu setzen. Einige halten dem entgegen, der öffentlichen Bekanntmachung nach § 21a der 9. BImSchV komme keine solche Wirkung zu, weil § 10 Abs. 8 BImSchG im vereinfachten Verfahren nicht anwendbar sei. Drittbetroffene könnten ihr Widerspruchs- und Klagerecht allenfalls verwirken (so z.B. Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 19 Rn. 30). Die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung hatte sich mit der Frage bislang nicht näher befasst.
Der VGH Mannheim hat mit seinen Beschlüssen vom 07.03.2019 nunmehr klargestellt: Die öffentliche Bekanntmachung nach § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV bewirkt nicht nur eine unverbindliche Information der Öffentlichkeit, sondern die Bekanntgabe des Genehmigungsbescheids nach § 41 LVwVfG. Der Anwendung des § 41 Abs. 3 und 4 LVwVfG könne nicht entgegengehalten werden, dass die Zustellfiktion des § 10 Abs. 8 Satz 5 BImSchG nach § 19 Abs. 2 BImSchG im vereinfachten Verfahren nicht gilt. § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV sei eine Rechtsvorschrift, die i.S.v. § 41 Abs. 3 Satz 1 LVwVfG die öffentliche Bekanntmachung eines Verwaltungsakts zulasse. Es gelte die Bekanntgabefiktion des § 41 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG, wonach der Verwaltungsakt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben gilt. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die öffentliche Bekanntmachung auf der Internetseite des Landratsamts erfolgt ist und hierauf in zwei örtlichen Tageszeitungen nur hingewiesen wurde. Die öffentliche Bekanntmachung habe die 1-Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Gang gesetzt. Die der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beigefügte, an den Vorhabenträger gerichtete Rechtsbehelfsbelehrung habe den Vorgaben des § 58 Abs. 1 VwGO entsprochen. Über den Fristbeginn, den die öffentliche Bekanntmachung nach § 21a der 9. BImSchV Dritten gegenüber auslöse, habe nicht gesondert belehrt werden müssen.
Nach den neuen Beschlüssen des VGH Mannheim ist Vorhabenträgern zu empfehlen: Wurde ihnen im vereinfachten Verfahren eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt, sollten sie nach § 21a Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV die öffentliche Bekanntmachung beantragen, um die Rechtsbehelfsfristen in Gang zu setzen und damit die Bestandskraft der Genehmigung zu erreichen.
Im Beschwerdeverfahren 10 S 2025/18 wurde die beigeladene Vorhabenträgerin von Dr. Winfried Porsch und Dr. Matthias Hangst vertreten. Gegenstand des Verfahrens war ein Windpark mit neun Windenergieanlagen im Landkreis Schwäbisch Hall.
Dr. Matthias Hangst
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