Der Fortschritt beim Thema Bauen und Wohnen wird künftig von einem eigenständigen, SPD-geführten Bauministerium in die Hand genommen.

Nach dem Koalitionsvertrag wird der Schwerpunkt des neuen Bauministeriums auf dem Wohnungsbau und vor allem auf dem bezahlbaren Wohnraum liegen wird. Dazu soll ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ geschlossen werden. Ausdrückliches Ziel sind 400.000 Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich gefördert.

Förderung“ ist beim Thema Bauen eines der Schlagworte schlechthin (es wird auf den fast 6 Seiten des Kapitels 10 Mal genannt). Hier nur ein paar Beispiele: Die Mittel für die Förderung sozialen Wohnungsbaus einschließlich sozialer Eigenheimförderung werden erhöht. Im Jahr 2022 (nach Auslaufen der Neubauförderung für den KfW-Effizienzhausstandard 55) wird ein Förderprogramm für den Wohnungsneubau eingeführt, das insbesondere die Treibhausgasemissionen pro m² Wohnfläche fokussiert. Das Förderprogramm für serielles Sanieren wird fortgeführt und ausgeweitet. Und der Erwerb von Wohneigentum soll durch eigenkapitalersetzende Darlehen, Tilgungszuschüsse und Zinsverbilligungen (für Schwellenhaushalte) unterstützt werden.

Zum Schutz der Mieterinnen und Mieter wird die Mietpreisbremse bis zum Jahr 2029 verlängert. Für Gemeinden  über 100.000 Einwohner wird ein qualifizierter Mietspiegel verpflichtend.

Die Ampelkoalition strebt eine „nutzungsgemischte Stadt“ an. Dabei gilt es insbesondere Lärmkonflikte zu lösen. Unter der Überschrift Städtebau heißt es, dass die Einführung einer Gesamtlärmbetrachtung (Zusammenführung von Straßen-, Schienen- und Luftverkehrslärm sowie Industrie- und Gewerbelärm) geprüft wird. Die TA Lärm soll modernisiert und an die geänderten Lebensverhältnisse in den Innenstädten angepasst werden. In der geänderten TA Lärm soll sich auch die Anerkennung eines „kulturellen Bezugs“ von Clubs und Livemusikspielstätten widerspiegeln. Der Wohnbevölkerung in den Innenstädten wird künftig wohl mehr Lärm zugemutet. Dadurch soll Wohnnutzung ermöglicht werden, die bislang häufig an den Immissionsrichtwerten der TA Lärm scheiterte.

Das Baugesetzbuch (BauGB) soll novelliert werden. Ziel ist die Stärkung von Klimaschutz, Gemeinwohlorientierung und Innenentwicklung sowie die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Der Koalitionsvertrag enthält dazu jedoch wenig Konkretes. Das erst im Juni 2021 in Kraft getretene Baulandmobilisierungsgesetz wird nochmal aufgegriffen: Die bislang befristeten Regelungen zur Mobilisierung von Bauflächen und zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren  werden entfristet. Das gilt allerdings nicht für § 13b BauGB (Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren bei Wohnungsbauvorhaben). Diese Regelung gilt bis Ende 2022 und wird nicht verlängert.

Eine Gesetzesänderung könnte es beim Thema Gemeindliches Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung (Milieuschutzsatzung) geben. Hier hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst mit Urteil vom 09.11.2021 entschieden, dass das gemeindliche Vorkaufsrecht für ein Grundstück, das im Geltungsbereich einer Milieuschutzsatzung liegt, nicht aufgrund der Annahme ausgeübt werden darf, dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde (4 C 1.20). Die Koalition will prüfen, ob sich aus diesem Urteil gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt.

Außerdem sollen die Kommunen bei der Prävention und Bewältigung von Starkregenereignissen unterstützt werden. Wie das konkret erfolgen soll, bleibt offen.

Insgesamt strebt die Ampelkoalition einen „Bau-Boom“ insbesondere beim Wohnungsbau durch finanzielle Anreize an. Dabei spielen der Klimaschutz und die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren eine große Rolle. Konkrete gesetzgeberische Maßnahmen werden im Koalitionsvertrag nur wenige genannt. Das mag daran liegen, dass erst im Juni 2021 das Baulandmobilisierungsgesetz in Kraft getreten ist, das ebendiese Ziele verfolgt. Konkret wird es im Bereich Lärmschutz. Hier bleibt abzuwarten, was die Koalitionäre den Bewohnern der Innenstädte an Lärmimmissionen zumuten werden.

Dr. Maria Marquard
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