Der Landtag von Baden-Württemberg hat am 13.03.2025 das Gesetz für das schnellere Bauen verabschiedet. Ziel dieser großen LBO-Reform ist die Optimierung und Beschleunigung baurechtlicher Verfahren. Nach der noch ausstehenden Verkündung im Gesetzblatt wird die Reform drei Monate später in Kraft treten.

Folgende wesentliche Inhalte der LBO-Reform werden für Bauherren und Baurechtsämter die größten Veränderungen und Herausforderungen mit sich bringen:

  • Genehmigungsfiktion: Für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren wird in § 58 Abs. 1a LBO über einen Verweis auf § 42a LVwVfG eine Genehmigungsfiktion eingeführt. Das betrifft vor allem Wohngebäude. Die Genehmigungsfiktion greift ein, wenn der vollständige Bauantrag innerhalb von drei Monaten nicht beschieden wird. Für Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen gilt die Genehmigungsfiktion nur, soweit diese beantragt sind. Der Antragsteller kann allerdings auf die Genehmigungsfiktion verzichten oder sich den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 42a Abs. 3 bescheinigen lassen. Ob der gewünschte Beschleunigungseffekt eintritt, wird maßgeblich davon abhängen, wie schnell die Baurechtsämter die Vollständigkeit des Bauantrags prüfen und bestätigen. Die Bestätigung des Eintritts der Genehmigungsfiktion könnte sich als weiteres Einfallstor für Verzögerungen entpuppen.
  • Abschaffung des Widerspruchsverfahrens: Durch die Einführung eines neuen Absatz 6 in § 15 AGVwGO wird das Widerspruchsverfahren in allen Angelegenheiten nach der LBO (und nach dem Denkmalschutzrecht) abgeschafft. Damit werden in Streitfällen künftig nicht mehr zunächst die Regierungspräsidien, sondern unmittelbar die Verwaltungsgerichte angerufen.
  • Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren: Bei Wohngebäuden bis Gebäudeklasse 4 (bis 13 Meter Höhe) hat der Bauherr nach dem neugefassten § 52 Abs. 1 LBO nur noch die Wahl zwischen dem Kenntnisgabeverfahren und dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren. Zuvor galt diese eingeschränkte Wahl für Wohngebäude der Gebäudeklasse 1 bis 3 (bis 7 Meter Höhe). Bei allen anderen Bauvorhaben kann sich der Bauherr künftig zwischen dem vereinfachten Verfahren und dem Vollverfahren entscheiden. Das betrifft insbesondere kleinere gewerblich genutzte Gebäude. Keine Wahlmöglichkeit besteht bei Sonderbauten, wie z.B. Hochhäusern oder Einzelhandelsbetrieben mit mehr als 400 m² Verkaufsfläche. Für diese ist weiterhin das volle Baugenehmigungsverfahren durchzuführen.
  • Einschränkung der Nachbarrechte: Mit der Änderung des § 55 Abs. 2 Satz 1 LBO wird die Frist für Nachbareinwendungen von 4 auf 2 Wochen verkürzt. Eine Pflicht zur Zustellung der Baugenehmigung besteht nach § 58 Abs. 1 Satz 7 LBO (neu) nur noch gegenüber Angrenzern – nicht mehr sonstigen Nachbarn – deren Einwendungen gegen das Vorhaben nicht entsprochen wird oder deren öffentlich-rechtlich geschützte nachbarlich Belange durch das Vorhaben berührt sein können. Bei sonstigen, möglicherweise betroffenen Nachbarn „soll“ künftig nur noch eine entsprechende Zustellung erfolgen. Es ist anzunehmen, dass die Baugenehmigung weiterhin allen möglicherweise betroffenen Nachbarn zugestellt wird, um die Rechtsbehelfsfristen (jetzt Klagefristen) in Gang zu setzen.
  • Nutzungsänderungen zu Wohnraum: Zur schnelleren Schaffung von Wohnraum werden Nutzungsänderungen hin zu Wohnnutzung im Innenbereich generell verfahrensfrei gestellt (§ 50 Abs. 2 Nr. 2 LBO). Bislang galt die Privilegierung nur für Nutzungsänderungen für zusätzlichen Wohnraum in bestehenden kleineren Wohngebäuden (bis Gebäudeklasse 3). Auch die Abweichungsmöglichkeit in § 56 Abs. 2 Nr. 1 LBO wird ausgeweitet. Sie gilt nicht mehr nur für die Schaffung „zusätzlichen“ Wohnraums, sondern auch beim Aus- und Umbau sowie der Nutzungsänderung von Nicht-Wohngebäuden hin zu Wohnraum.
  • Abstandsflächen: Auch bei den Abstandsflächen wird die Schaffung von Wohnraum privilegiert. Schon seit der letzten LBO-Novelle löst eine nachträgliche Aufstockung um bis zu zwei Geschosse – bei seit mindestens fünf Jahren zugelassenen Gebäuden – keine weitere Abstandsfläche aus. Dies wird in der Neufassung von § 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 LBO auf die Errichtung von Dachgauben und Zwerchgiebeln erweitert, wenn sie der Schaffung oder Erweiterung von Wohnraum dienen und in den durch die Außenwände vorgegebenen Grenzen erfolgen. Zusätzlich wird in § 56 Abs. 2 Nr. 5 LBO ein neuer Abweichungstatbestand aufgenommen. Danach ist bei einem Ersatzneubau mit gleicher Abmessung eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften in § 5 LBO zuzulassen. Dies gilt für Gebäude alle Art und ist nicht auf die Schaffung von Wohnraum begrenzt.
  • Bestandsschutz: Besonderes Aufsehen hat die gesetzliche Definition des Bestandsschutzes in § 76 Abs. 1 LBO (neu) erregt. Danach genießt eine bauliche Anlage auch dann Bestandsschutz, wenn sie zwar formell illegal ist, weil keine Baugenehmigung vorliegt aber sie zum Zeitpunkt ihrer Errichtung dem geltenden Recht entsprochen hat oder wenn die bauliche Anlage zu einem späteren Zeitpunkt hätte genehmigt werden können (materieller Bestandsschutz). Damit reagiert der Landesgesetzgeber auf ein Urteil des VGH Mannheim vom 09.11.2020. Der VGH Mannheim hat entschieden, dass Bestandsschutz nur dann besteht, wenn eine bauliche Anlage nicht nur materiell, sondern auch formell legal ist, also eine Baugenehmigung – soweit erforderlich – vorliegt (3 S 2590/18 –, juris Rn. 83). Dem ist der Landesgesetzgeber entgegengetreten, indem er für den Bestandsschutz per Definition materielle Legalität ausreichen lässt. Die Kritiker dieser Regelung befürchten dadurch insbesondere ein Aushebeln der kommunalen Planungshoheit. Veränderungssperren und Zurückstellungen könnten umgangen werden, indem kein Bauantrag gestellt wird, sondern illegal „Fakten geschaffen“ werden, die dann künftig Bestandsschutz genießen. Ob diese Bedenken berechtigt sind, bleibt abzuwarten. 

Dr. Maria Marquard
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