Spätestens seit dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass die Politik künftig mehr tun muss, um die Bürger vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Das Grundgesetz verlangt effektive Klimaschutzmaßnahmen und den rechtzeitigen Übergang hin zur Klimaneutralität.

Eines der Kernanliegen des Koalitionsvertrages ist daher der Klimaschutz. Dies zeigt bereits die Präambel. Sie nennt als Startschuss für die „Ampelkoalition“ im Sinne einer den gesamten Koalitionsvertrag umklammernden Eröffnungsbilanz die Klimakrise als Gefahr für die Lebensgrundlagen sowie für Freiheit, Wohlstand und Sicherheit. Oberste Priorität des Koalitionsvertrages hat daher die Erreichung der Klimaschutzziele von Paris („1,5-Grad-Ziel“). Dabei soll im Jahr 2045 Klimaneutralität erreicht werden. Hierzu streben die Koalitionäre die Neubegründung einer sozial-ökologischen Markwirtschaft an.

Der Koalitionsvertrag versteht den Klimaschutz daher auch als Querschnittsaufgabe und widmet ihm ein eigenes Kapitel. Klimaschutz umfasst die Bereiche Wirtschaft, Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft und Ernährung, Mobilität, Klima, Energie und Transformation. Er wirkt sich damit auf nahezu alle Politikbereiche aus. Über allem steht das Ziel Deutschland so schnell wie möglich auf den 1,5 Grad Pfad zu bringen.

Als spezifisch klimaschutzbezogene Regelungen hat sich die „Ampelkoalition“ auf Folgendes verständigt:

  • Noch im Jahr 2022 strebt die Koalition eine Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes an. Dazu will sie ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen auf den Weg bringen. Inhaltlich bleibt der Koalitionsvertrag hier aber vage. Geplant ist vor allem ein sog. Klima-Check: Jedes Ressort soll seine Gesetzesentwürfe auf ihre Klimawirkung sowie die Vereinbarkeit mit den Klimaschutzzielen hin prüfen. Zudem sollen die Sektoren Verkehr, Bauen und Wohnen, Stromerzeugung, Industrie und Wirtschaft noch stärker in die Pflicht genommen werden, tatsächlich Beiträge zu Erreichung von Klimaneutralität zu leisten. Dies soll in einem jährlichen Monitoring überprüft werden.
  • Eines der zentralen Projekte ist eine drastische Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien (siehe hierzu bereits den Beitrag von Herrn Dr. Hangst auf der Homepage). 2030 sollen 80% des Bruttostrombedarfs daraus gedeckt werden. Um dies zu erreichen, soll vor allem die Nutzung der Windenergie verstärkt werden. 2 % der Landesflächen sollen künftig für die Windenergie an Land ausgewiesen werden. In ganz Deutschland soll zeitnah verbrauchsnah Onshore-Windenergie zur Verfügung stehen. Parallel dazu soll der Ausbau der Windenergie auf See weiter forciert werden. Diese soll nach den Plänen der Koalition Priorität gegenüber anderen Nutzungsformen in der AWZ genießen. Geplant ist zudem die stärkere Nutzung der Solarenergie. Bei gewerblichen Neubauten sollen geeignete Dachflächen hierfür verpflichtend genutzt werden, bei privaten Neubauten soll dies die Regel werden. Auch strebt die Koalition eine stärkere Nutzung der Bioenergie und der Geothermie an. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, erfolgt eine enge Verzahnung mit der geplanten materiellen und verfahrensrechtlichen Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren (siehe hierzu den Beitrag von Herrn Dr. Deutsch auf der Homepage). Vor allem beabsichtigt die Koalition den Vorhaben im Rahmen der Schutzgüterabwägung einen zeitlich befristeten Vorrang einzuräumen.
  • Die „Ampelkoalition“ will den Kohleausstieg vorziehen. Idealerweise schon bis 2030. Sie plant etwaige Versorgungsengpässe durch Erneuerbare Energien, zunächst vor allem moderne Gaskraftwerke zu schließen. Diese müssen auf klimaneutrale Gase („H2-ready“) umstellbar sein.
  •  Die Koalition hält zudem am geplanten deutschen Atomausstieg fest. Hingewiesen sei hier aber darauf, dass die EU-Kommission Atomkraft als nachhaltig eingestuft hat.
  • Weitere Kernelemente des Koalitionsvertrags zur Sicherstellung des Klimaschutzes sind Regelungen zur Energieregulierung und Pläne zu Wasserstoffnetzen (siehe hierzu den separaten Beitrag von Herrn Dr. Stelter auf der Homepage). Eng damit verbunden ist das Ziel sozial gerechter Energiepreise. Hierzu soll ab 2023 die EEG-Umlage über den Bundeshaushalt finanziert werden. Zum Zwecke des Klimaschutzes sollen künftig auch Synergien zwischen Naturschutz und Klimaschutz geschaffen und gestärkt werden. Die Koalition plant ein Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“. Ziel sind Renaturierungsmaßnahmen, um die Resilienz einzelner Ökosysteme, insbesondere von Mooren, Wäldern, Auen, Grünland sowie marinen und Küstenökosystemen gegen die Klimakrise zu stärken.
  • Zur Bekämpfung der Folgen des Klimawandels planen die Koalitionäre in Zusammenarbeit mit den Ländern die Erarbeitung einer vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie. Hintergrund ist im Wesentlichen die Flutkatstrophe im Sommer 2021. Eine solche Klimaanpassungsstrategie soll messbare Ziele vor allem in den Handlungsfeldern Hitzevorsorge, Gesundheits- und Allergieprävention und Wasserinfrastruktur enthalten.

Die klimapolitischen Ansprüche der Koalition sind groß. Die Folgen ebenso. Die Erreichung der Klimaschutzziele bedarf einer gesellschaftlichen Kraftanstrengung. Dies verdeutlicht auch die jüngst von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Dr. Robert Habeck vorgelegte Eröffnungsbilanz Klimaschutz. Danach sind die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren unzureichend. Der Koalitionsvertrag identifiziert die wesentlichen Probleme hierfür und gibt die Leitplanken der künftigen Klimapolitik der Regierung vor. Konkrete Maßnahmen müssen aber in vielen Bereichen erst noch erarbeitet werden.

Dr. Lukas Knappe
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