Die Ampel-Regierung bekennt sich mit dem Koalitionsvertrag klar zur Bedeutung der Kreislaufwirtschaft und widmet dieser ein eigenes Kapitel. Die Kreislaufwirtschaft soll als effektiver Klima- und Ressourcenschutz sowie als Chance für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze gefördert werden. Um das zu erreichen, plant die Koalition eine „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“.

Der Koalitionsvertrag enthält ein Maßnahmenbündel, das im Schwerpunkt die Produktverantwortung bzw. erweiterte Herstellerverantwortung stärken soll. Die Maßnahmen knüpfen entsprechend häufig an „Produkte“ an und adressieren deren Hersteller und Inverkehrbringer. Produkte müssen „langlebig, wiederverwendbar, recycelbar und möglichst reparierbar sein“. Es sollen digitale Produktpässe eingeführt werden. Der Produktverantwortung lässt sich auch das Ziel zuordnen, ökologisch vorteilhafte Mehrweg-, Rücknahme- und Pfandsysteme sowie Branchenvereinbarungen zu stärken.

Der Koalitionsvertrag sieht zudem vor, die Retourenvernichtung zu reduzieren. Dafür können die Koalitionspartner auf die seit Ende 2020 in § 23 KrWG geregelten Obhutspflichten zurückgreifen. Wie auch bei den anderen in § 23 KrWG vorgesehenen Pflichten der Produktverantwortung ist dafür kein Gesetz erforderlich, sondern der Erlass einer Rechtsverordnung ausreichend. Eine solche Rechtsverordnung wäre gleichwohl ein bemerkenswertes Novum: Sei Inkrafttreten des KrWG im Jahr 2012 wurde keine Rechtsverordnung auf Grundlage von § 23 KrWG erlassen.

Ein besonderer Fokus liegt schließlich auf dem Thema Recycling. Es sollen Qualitätsstandards für Rezyklate und ein Recycling-Label eingeführt werden. Auf europäischer Ebene sollen höhere Recyclingquoten und Mindestquoten für den Einsatz von Rezyklaten und Sekundärrohstoffen vorgegeben werden. Ein Fondsmodell soll besonders ressourcenschonendes und recyclingfreundliches Verpackungsdesign belohnen. Der Gedanke beispielsweise des 2021 in Kraft getretenen § 7a BattG, finanzielle Anreize für besonders recyclingfähige Produkte zu schaffen, wird damit aufgegriffen.

Ein herausgehobenes Gewicht erlangt die Kreislaufwirtschaft im Koalitionsvertrag schließlich deshalb, weil sie als Querschnittsthema jenseits des Kapitels zur „Kreislaufwirtschaft“ an zahlreichen Stellen aufgegriffen wird. Im Kapitel „Wirtschaft“ sollen z.B. Mindestquoten in der öffentlichen Beschaffung für klimafreundliche Produkte eingeführt werden und es wird das ökonomische Potential des Recyclings (angefangen beim Produktdesign) hervorgehoben. Im Kapitel „Bauen und Wohnen“ wird das Ziel formuliert, mit einem „Gebäuderessourcenpass“ die Kreislaufwirtschaft im Gebäudebereich einzuführen. Als Bestandteil der „Start-up-, Gründungs- und Innovationsförderung“ soll die KfW für Start-ups im Bereich Kreislaufwirtschaft als Co-Wagniskapitalgeber wirken. Im Abschnitt zum Verbraucherschutz soll „Nachhaltigkeit by design“ zum Standard für Produkte werden und ein „Recht auf Reparatur“ eingeführt werden.

Insgesamt hat sich die Koalition im Bereich Kreislaufwirtschaft viel vorgenommen. Dabei konstatieren die Koalitionspartner, dass die genannten Ziele sich vielfach nur auf europäischer Ebene umsetzen lassen. Beispielsweise müssen konkrete Anforderungen an Produkte schon mit Blick auf die Grundfreiheiten europaweit einheitlich festgelegt werden. Die Realisierung zahlreicher Maßnahmen ist nur zusammen mit den Europäischen Partner möglich. Da die Europäische Union selbst im „Green Deal“ die herausragende Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für einen effektiven Klimaschutz betont und Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung stärken will, kann der große Wurf gelingen.

Dr. Oliver Moench
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