Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum bleibt ein drängendes Problem. Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU/CSU und SPD geeinigt, in den ersten 100 Tagen einen Gesetzentwurf zur Einführung eines „Wohnungsbauturbos“ vorzulegen. Am 19.06.2025 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung beschlossen (BR-Drs. 256/25). Folgende Änderungen des BauGB sind hervorzuheben:

  • Geräuschemissionen im Bebauungsplan: Ein neuer § 9 Abs. 1 Nr. 23 a) aa) BauGB soll die Festsetzung von Werten zum Schutz vor Geräuschimmissionen in Bebauungsplänen erlauben. Dabei darf die Gemeinde in begründeten Fällen Abweichungen von der TA Lärm zulassen. Dies soll die Zulassung von Wohnbebauung in der Nähe bestehender Gewerbebetriebe („heranrückende Wohnbebauung“) erleichtern. Flankiert wird die Regelung von einem neuen § 216a BauGB. Dieser enthält Regelungen für den Fall, dass ein Bebauungsplan, der von der TA Lärm abweichende Immissionswerte festsetzt, gerichtlich für unwirksam erklärt wird. § 216a BauGB stellt sicher, dass der Gewerbebetrieb auch dann nicht in vollem Umfang den Anforderungen der TA Lärm unterliegt.

  • Emissionskontingente: § 9 Abs. 1 Nr. 23 a) aa) BauGB soll außerdem die Festsetzung von Emissionskontingenten ermöglichen. Anders als nach bisheriger Rechtslage soll es dabei möglich sein, Emissionsbeschränkungen für ein ganzes Gewerbegebiet ohne weitere räumliche Untergliederung festzusetzen.

  • Befreiungen: Der Gesetzentwurf soll die Befreiungsmöglichkeitenzugunsten des Wohnungsbaus nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BauGB deutlich erweitern. Künftig soll § 31 Abs. 3 BauGB nicht nur in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt Anwendung finden, sondern im ganzen Bundesgebiet. Zudem sollen Befreiungen nun nicht mehr nur im Einzelfall, sondern auch in mehreren vergleichbaren Fällen möglich sein. Dies soll z.B. die Aufstockung mehrerer Gebäude an einem Straßenzug ermöglichen. Die Befreiung bedarf der Zustimmung der Gemeinde und muss mit öffentlichen Belangen vereinbar sein.

  • Kein Einfügenserfordernis für Wohngebäude im Innenbereich: Der neue § 34 Abs. 3b BauGB soll es Bauherren gestatten, bei der Errichtung von Wohngebäuden mit Zustimmung der Gemeinde vom Erfordernis des Einfügens in die nähere Umgebung abzuweichen. Anders als der bereits bestehende § 34 Abs. 3a BauGB erfasst die Vorschrift auch Neuerrichtungen und findet nicht nur im Einzelfall, sondern auch in mehreren vergleichbaren Fällen Anwendung.

  • Abweichen vom BauGB für den Wohnungsbau: Der neu eingeführte § 246e BauGB sieht vor, dass für bestimmte Wohnungsbauvorhaben von den Vorschriften des BauGB abgewichen werden kann, wenn die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die Abweichung bedarf nach § 246e Abs. 2 BauGB der Zustimmung der Gemeinde. § 246e Abs. 3 BauGB beschränkt die Anwendung der Vorschrift im Außenbereich auf Vorhaben, die im räumlichen Zusammenhang mit Flächen im Innenbereich bzw. im Geltungsbereich eines Bebauungsplans stehen. Die Regelung ist bis 31.12.2030 befristet.

  • Zustimmung der Gemeinde: Für die künftig nach § 31 Abs. 3 BauGB, § 34 Abs. 3b BauGB und § 246e Abs. 2 BauGB notwendige Zustimmung der Gemeinde führt der Gesetzentwurf einen neuen § 36a BauGB ein. Gemäß § 36a Abs. 1 Satz 2 BauGB erteilt die Gemeinde die Zustimmung, wenn das Vorhaben mit ihren Vorstellungen von der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung vereinbar ist. Anders als beim gemeindlichen Einvernehmen nach § 36 BauGB ist für eine Verweigerung der Zustimmung also kein Rechtsverstoß erforderlich. Die verweigerte Zustimmung kann auch nicht von der höheren Verwaltungsbehörde ersetzt werden. Nach § 36a Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Erteilung der Zustimmung auch dann erforderlich, wenn die Gemeinde selbst Baurechtsbehörde ist. § 36a Abs. 1 Satz 3 BauGB ermöglicht es der Gemeinde, ihre Zustimmung unter einer Bedingung (z.B.: Einhaltung einer Sozialwohnungsquote) zu erteilen.

  • Verlängerung befristeter Regelungen des Baulandmobilisierungsgesetzes: Die Ermächtigung an die Länder nach § 201a BauGB, Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt festzustellen, wird um fünf Jahre bis 31.12.2031 verlängert. § 250 BauGB ermöglicht es den Ländern, in bestimmten Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen. Bislang müssen solche Rechtsverordnungen bis 31.12.2025 außer Kraft treten. Diese Frist wird bis 31.12.2030 verlängert.

Dr. Jonathan Dollinger
Dolde Mayen & Partner Rechtsanwälte
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