Zentrales Thema des Koalitionsvertrages ist der Klimaschutz in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Ihm widmen die Koalitionspartner einen ganzen Abschnitt des Koalitionsvertrages.

Zwei Kernelemente zur Sicherstellung des Klimaschutzes sind die Regelungen zur Energieregulierung und die Pläne zu Wasserstoffnetzen. Die Koalitionspartner gehen davon aus, das Geplante solle „ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“ einleiten. Die Vorgaben zum Energieregulierungsrecht und zu Wasserstoffnetzen sind durchaus ambitioniert. Ob sie geeignet sind, eine goldene Dekade der Zukunftsinvestitionen einzuleiten, darf aber bezweifelt werden.

Im Hinblick auf die Energieregulierung vertrauen die Koalitionspartner zunächst auf bereits eingeführte Instrumente. Sie wollen diese aber verstärkt einsetzen. Ausgehend von dem Ziel, 80 Prozent des – von den Koalitionspartnern richterweise anerkannten – höheren Bruttostrombedarfs von circa 700 TWh im Jahr 2030 aus erneuerbaren Energien zu decken, soll der Netzausbau beschleunigt werden. In diesem Kontext wollen sich die Koalitionspartner zunächst um eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren bemühen (siehe dazu die separate Darstellung von Herrn Deutsch auf unserer Homepage), aber auch das Energieregulierungsrecht zielgerichtet modifizieren. So soll der Netzanschluss von Photovoltaik-Anlagen beschleunigt werden. Darüber hinaus soll eine „Roadmap Systemstabilität“ vorgelegt werden. Die Verteilernetze sollen modernisiert und digitalisiert werden, dies auch durch den verstärkten Rollout intelligenter Messsysteme. Hier bleibt abzuwarten, wie diese durchaus Ziele regelungstechnisch umgesetzt werden sollen. Erforderlich ist in diesem Kontext eine möglichst friktionsfreie Anerkennung von Modernisierungs- und Digitalisierungskosten. Wegen der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zur Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde wird die Umsetzung dieser Ziele den Gesetzgeber vor größere Herausforderungen stellen. Klar ist aber: Die Koalitionspartner gehen davon aus, die Bereitstellung von Kapital für die Netzinfrastruktur brauche auch künftig attraktive Investitionsbedingungen. Soll dieses Ziel erreicht werden, muss der Gesetzgeber geeignete Regelungen zur Sicherstellung einer adäquaten Eigenkapitalverzinsung und anderer wesentlicher regulatorischer Parameter treffen. Ohne eine hohe Investitionsbereitschaft der Netzbetreiber und ihrer Geldgeber wird die Energiewende nicht gelingen. Soweit es um die Energieerzeugung geht, wollen die Koalitionspartner hocheffiziente Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung fördern und dabei auf die Wasserstoff-Readiness achten. Bei der künftigen KWK-Förderung sollen Marktpreise angemessen berücksichtigt werden. Die „Finanzierungsarchitektur des Energiesystems“ wollen die Koalitionspartner rasch und umfassend reformieren. Es sollen Anreize für eine sektorübergreifende Nutzung von erneuerbaren Energien gesetzt und dezentrale Erzeugungsmodelle gestärkt werden. (Überschüssiger) Strom aus erneuerbaren Energien soll wirtschaftlich für die Sektorenkopplung genutzt werden. Auch hier müssen diesen hehren Zielen entsprechende Regelungen auf gesetzlicher und untergesetzlicher Ebene folgen.

Im Vagen bleibt die von den Koalitionspartnern beabsichtigte umfassende Reform der Netzentgelte. Die insoweit genannten Programmsätze (Stärkung der Transparenz, Transformation zur Klimaneutralität, faire Verteilung der Kosten der Integration der erneuerbaren Energien) lassen noch nicht erkennen, ob hier eine gänzlich neue Netzentgeltsystematik geplant ist.

Besondere Aufmerksamkeit widmen die Koalitionspartner dem Wasserstoff allgemein und den Wasserstoffnetzen im speziellen. Investitionen in den Aufbau einer Wasserstoffnetzinfrastruktur sollen finanziell gefördert werden. Deutschland soll derart bis 2030 „Leitmarkt für Wasserstofftechnologien“ werden. Zu diesem Zweck soll die nationale Wasserstoffstrategie ambitioniert überarbeitet werden. Erdgas halten die Koalitionspartner für eine Übergangszeit für unverzichtbar. Dies betrifft zum einen die Errichtung von Gaskraftwerken, die später auf Wasserstoff umgestellt werden können, dürfte zum anderen aber auch große Bedeutung für die Regulierung der Netzentgelte von Gasnetzen haben. Die „Wasserstoffregulatorik“ soll technologieoffen ausgestaltet werden. Ob dies auch als Indikator verstanden werden muss, dass auf Bundesebene schnell gemeinsame Netzentgelte für Erdgas einerseits und Wasserstoff andererseits gebildet werden, muss als offen angesehen werden. Sachgerecht wäre dies. Möglicherweise wollen die Koalitionsparteien die Entwicklung auf europäischer Ebene abwarten. Es läge im Interesse aller Beteiligten, wenn hier schnell für klare Verhältnisse gesorgt würde.

Dr. Christian Stelter
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