Wie die Vorgängerregierung will auch die „Ampelkoalition“ die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Ehrgeiziges Ziel ist die Halbierung der Verfahrensdauer.

Einen Ansatz dazu sieht die Koalition in einer besseren sachlichen und personellen Ausstattung von Verwaltungen und Gerichten. Die Planung soll in Anlehnung an das zur Bewältigung der Pandemiebekämpfung erlassene PlanSiG stärker digitalisiert werden. Die Kapazitäten der Bundesbehörden sollen in Beschleunigungsagenturen umgewandelt werden, die auch den Ländern zur Verfügung stehen. Verfügbare Umweltdaten sollen zentralisiert vorgehalten werden. Regelmäßige Plausibilisierungen der Datengrundlagen (Nacherhebungen, Kontrollen etc.) sollen ihre lange Nutzungsdauer im Verfahren ermöglichen. Ob damit die Aktualisierung von Gutachten und die Wiederholung von Verfahrensschritten in Planungs- und Genehmigungsverfahren vermieden werden kann, bleibt abzuwarten.

Die Ampel setzt auf eine Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens. Große Bedeutung misst sie einer für anerkannte Naturschutzverbände und die betroffene Öffentlichkeit obligatorischen „frühestmöglichen und intensiven Öffentlichkeitsbeteiligung“ bei. Sie soll durch eine wirksame und europarechtlich zulässige Form des Ausschlusses verspäteter Einwendungen (materielle Präklusion) flankiert werden. Angesichts der außerordentlich engen Grenzen, die hier das Europa- und das Umweltvölkerrecht setzen, bleibt jedoch abzuwarten, ob diesem – in der Sache sinnvollen – Vorhaben Erfolg beschieden sein wird. Auch bei der Behördenbeteiligung will die Ampelkoalition ansetzen. Es soll interne Beteiligungsfristen und Genehmigungsfiktionen bei der Beteiligung weiterer Behörden geben. Die drängende Aufgabe der Ausbesserung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur wird im Koalitionsvertrag ebenfalls berücksichtigt. Während die Große Koalition klargestellt hat, dass die Unterhaltung und Sanierung von Straßen- und Schienenverkehrsinfrastrukturen keiner Zulassung bedürfen, setzt die Ampelkoalition hier auf eine stärkere Nutzung des Plangenehmigungsverfahrens.

Für besonders prioritäre Vorhaben – systemrelevante Bahnstrecken, Stromtrassen, kritische, weil sanierungsbedürftige Ingenieurbauwerke – sind nach dem Vorbild des BImSchG Fristen für die Planfeststellung beabsichtigt. Diese Fristen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der verbesserten personellen und sachlichen Ausstattung der Planfeststellungsbehörden, denn nur dann lassen sich die komplexen fachlichen Probleme innerhalb eines deutlich verkürzten Zeitraums abarbeiten. Auch die in der rechtswissenschaftlichen Diskussion überwiegend kritisch gesehene Legalplanung durch Planungsgesetze soll ausgebaut werden.

Große Bedeutung misst die Ampelkoalition einer engeren Verzahnung von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren bei. Das Raumordnungsverfahren soll stärker in die Zulassungsverfahren integriert werden. Damit entspricht die Ampelkoalition einer Forderung der Praxis, die in Anlehnung an die Regelung der Eingriffe in Natur und Landschaft das Raumordnungsverfahren in die Zulassungsentscheidung integrieren will. Eine ähnliche Regelung bietet sich für die Zielabweichungsverfahren an. Bei prioritären Vorhaben soll der Bund das Raumordnungsverfahren übernehmen.

Materiell-rechtlich plant die Ampelkoalition die dringend erforderliche Standardisierung im Artenschutzrecht, etwa bei der Frage, wie die rechtlich relevante Erhöhung des Tötungsrisikos für besonders geschützte Arten zu bestimmen ist. Eine Vereinheitlichung der Anforderungen in einer TA Artenschutz wäre wünschenswert. Beim Konflikt zwischen dem Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Artenschutz hat sich die Ampelkoalition die Quadratur des Kreises zur Aufgabe gemacht. Einerseits soll das Schutzniveau nicht abgesenkt werden. Andererseits soll gerade in dem Bereich der erneuerbaren Energien und der Elektrifizierung von Bahntrassen der individuenbezogene Artenschutz zugunsten eines populationsbezogenen Artenschutzes zurückgedrängt werden. Dieses Ziel wird sich aber ohne eine Änderung des Unionsrechts nicht erreichen lassen. Das gleiche gilt für die Absicht, einen möglichst frühen Stichtag für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage einzuführen. Je länger der Zeitraum zwischen diesem Stichtag und der Zulassungsentscheidung ist, desto schwieriger wird es werden, die zwischenzeitliche Entwicklung und damit vom Stichtag abweichende Auswirkungen des genehmigten Vorhabens auf Umwelt und Betroffene zu ignorieren.

Beabsichtigt sind ferner schnellere Verwaltungsgerichtsverfahren. Die Möglichkeit der Fehlerheilung und der Reversibilität der angegriffenen Maßnahmen sollen in Eilverfahren größeres Gewicht erlangen und zu einer Zurückdrängung des vorläufigen Rechtsschutzes führen. Für Planungsrechtsverfahren ist die Schaffung zusätzlicher Senate beim Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt. Dabei wird jedoch zu berücksichtigen sein, dass das Verfassungsrecht einer erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts Grenzen setzt. Planungsentscheidungen sollen ferner durch eine Ausweitung der Planerhaltungsvorschriften stabilisiert werden. Auch hier ist offen, inwieweit der Gesetzgeber noch Spielräume hat.

Das Programm der „Ampelkoalition“ verfolgt insgesamt wichtige Ansätze. Die dringend erforderliche Beschleunigung der Verfahren lässt sich allerdings nicht allein über verfahrensrechtliche Ansätze oder über eine verbesserte personelle und sachliche Ausstattung von Behörden und Gerichten erreichen. Ohne eine deutliche Entschlackung auch der materiell-rechtlichen Vorgaben ist eine drastische Verfahrensverkürzung kaum zu erreichen. Insoweit sind aber die Spielräume des nationalen Gesetzgebers begrenzt. Ohne Mitwirkung der europäischen Ebene werden sich die ehrgeizigen Ziele nicht durchsetzen lassen.

Dr. Markus Deutsch
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