Öffentliche Auftraggeber nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GWB, also insbesondere Gebietskörperschaften, öffentliche Einrichtungen, die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art wahrnehmen, und Zweckverbände sowie Sektorenauftraggeber haben seit Anfang August 2021 das „Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz“ zu beachten. Es gilt nach seinem § 2 für die vergaberechtspflichtige Beschaffung von Straßenfahrzeugen durch Kauf, Leasing oder Anmietung. Es gilt darüber hinaus auch für die vergaberechtspflichtige Beschaffung bestimmter Dienstleistungsaufträge, bei denen der Einsatz von Straßenfahrzeugen einen wesentlichen Teil der Leistungserbringung darstellt. Dazu zählen insbesondere der straßengebundene ÖPNV, die Bedarfspersonenbeförderung, die Abholung von Siedlungsabfällen oder die Post-/Paketbeförderung und -zustellung auf der Straße. Das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz gilt außerdem auch für bestimmte Dienstleistungsaufträge, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über Personenverkehrsdienste auf Schienen und Straßen erteilt werden.

§ 6 SaubFahrzeugBeschG regelt für zwei Referenzzeiträume Mindestziele in Form von Mindestprozentsätzen der sauberen leichten oder sauberen schweren Nutzfahrzeuge an der Gesamtzahl der Nutzfahrzeuge, die beschafft oder für die Erbringung von Dienstleistungen verwendet werden sollen:

EG-Fahrzeugklassen Beschaffung vom 02.08.2021 bis zum 31.12.2025 Beschaffung vom 01.01.2026 bis 31.12.2030
M1, M2, N1 38,5 % 38,5 %
N2, N3 10 % 15 %
M3 45 % 65 %

Die öffentlichen Auftraggeber und Sektorenauftraggeber haben diese Mindestziele bei der Beschaffung von Fahrzeugen und Dienstleistungen insgesamt einzuhalten (§ 5 Abs. 1 SaubFahrzeugBeschG). Diese sogenannte „Bundesquote“ soll – im Gegensatz zu dem Modell der Mindestzielanwendung für jede einzelne Beschaffung – Flexibilität bei der Zielerreichung eröffnen. Die Einhaltung der Mindestziele ist von den Ländern zu überwachen. Ihnen werden durch das Gesetz auch für ihren Zuständigkeitsbereich weitere Flexibilisierungs- und Ausgleichsmöglichkeiten eröffnet.

Die Einhaltung der Mindestziele durch die öffentlichen Auftraggeber und Sektorenauftraggeber ist eine Bestimmung über das Vergabeverfahren im Sinn des § 97 Abs. 6 GWB, die Bieterschutz im Nachprüfungsverfahren eröffnet. Da es sich bei den Mindestzielen aber um eine „Bundesquote“ und nicht um Mindestziele für jede einzelne Beschaffung handelt, setzt eine erfolgreiche Rüge die Darlegung voraus, dass gerade die mit dem Nachprüfungsverfahren angegriffene Beschaffung zur Zielerreichung erforderlich ist.

Insbesondere bei der Beschaffung von Dienstleistungen, für die das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz gilt, wirft die Quotenerfüllung schwierige praktische Fragen auf, wenn in einer Flotte mehrerer für die Erbringung der Dienstleistung erforderlicher Fahrzeuge einzelne saubere Fahrzeuge eingesetzt werden sollen. Da die Mindestziele nur insgesamt durch alle Beschaffungen, nicht aber bei jeder einzelnen Beschaffung eingehalten werden müssen, könnte dies insbesondere bei Dienstleistungsbeschaffungen zur Folge haben, dass Auftraggeber auf die Vorgabe verzichten, dass bei der Leistungserbringung (auch) saubere Fahrzeuge eingesetzt werden müssen.

Dr. Andrea Vetter
Dolde Mayen & Partner Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
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