Zum 01.10.2018 tritt in Baden-Württemberg die neue Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung) in Kraft. Die VwV Beschaffung ist von allen Behörden und Betrieben des Landes sowie den landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts anzuwenden, die § 55 LHO unmittelbar oder nach § 105 LHO zu beachten haben, soweit sie Mittel des Landeshaushaltes bewirtschaften (Nr. 1.2 VwV Beschaffung). Diese müssen bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungs­aufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte zukünftig anstelle des ersten Abschnitt der VOL/A die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) mit den in der VwV Beschaffung geregelten Modifikationen anwenden (Nr. 5.5 VwV Beschaffung).

Die VwV Beschaffung und die UVgO sind nicht anzuwenden auf die Vergabe von Bauaufträgen, von Konzessionen und von öffentlichen Aufträgen von Sektorenauftraggebern zum Zwecke der Ausübung einer Sektorentätigkeit. Die in §§ 107, 108, 109, 116, 117 und 145 GWB für den Oberschwellenbereich geregelten Ausnahmen von der Verpflichtung zur Anwendung des Vergabe­rechts (bspw. In-house-Geschäfte) gelten künftig auch im Unterschwellen­bereich (Nr. 1.1 VwV Beschaffung i.V.m. § 1 Abs. 2 UVgO).

Die VwV Beschaffung modifiziert insbesondere die Übergangsfristen der UVgO zur Einführung der E-Vergabe und regelt Wertgrenzen für bestimmte Vergabeverfahren und die bei der Beschaffung zu beachtenden Ziele der Landesregierung.

Auftraggeber sind abweichend von § 38 Abs. 2 UVgO erst ab dem 01.07.2019 verpflichtet, elektronisch übermittelte Teilnahmeanträge und Angebote auch dann zu akzeptieren, wenn sie einen anderen Übermittlungsweg vorgegeben haben (Nr. 7.7 VwV Beschaffung). Abweichend von § 39 Satz 1 UVgO und § 40 Abs. 2 Satz 1 UVgO können bis zum 30.06.2019 elektronisch übermittelte Teilnahmeanträge und Angebote unverschlüsselt gespeichert werden und Angebote auch nur von einem Vertreter des Auftraggebers geöffnet werden. Dabei ist jedoch der Vertraulichkeitsgrundsatz zu beachten (Nr. 7.7 VwV Beschaffung). Ab dem 01.01.2020 sind Teilnahmeanträge und Angebote ausschließlich mit Hilfe elektronischer Mittel zu übermitteln, sofern keine Ausnahme vorliegt (§ 38 Abs. 3 UVgO).

Die sonstigen Regelungen zur E-Vergabe, insbesondere die Verpflichtung, in der Auftragsbekanntmachung eine elektronisiche Adresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt abgerufen werden können (§ 29 Abs. 1 UVgO, Nr. 7.4 VwV Beschaffung) sowie das Verbot einer Registrierungspflicht (§ 7 Abs. 3 UVgO, Nr. 7.3 VwV Beschaffung) gelten bereits ab dem 01.10.2018.

Eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb ist zusätzlich zu den in § 8 Abs. 3 UVgO geregelten Fällen auch dann zulässig, wenn der Auftragswert voraussichtlich nicht mehr als 100.000 € (ohne Umsatzsteuer) beträgt (Nr. 8.2 VwV Beschaffung); eine Verhandlungsvergabe mit und ohne Teilnahmewettbewerb ist zusätzlich zu den in § 8 Abs. 4 UVgO geregelten Fällen auch dann zulässig, wenn der Auftragswert voraussichtlich 50.000 € (ohne Umsatzsteuer) nicht übersteigt (Nr. 8.3 VwV Beschaffung). Die Wertgrenze für Direktaufträge i.S.v. § 14 UVgO wird auf 5.000 € (ohne Umsatzsteuer) erhöht (Nr. 8.7 VwV Beschaffung).

Nr. 1.1 VwV Beschaffung regelt, dass es Ziel der Landesregierung ist, der nachhaltigen Beschaffung ein größeres Gewicht zu geben. Dies wird insbesondere umgesetzt mit den Regelungen zu umweltbezogenen Aspekten (Nr. 10.3.2 VwV Beschaffung), zu Energieeffizienz und Klimaschutz (Nr. 10.3.2.1 VwV Beschaffung), zu Lärmschutz und Luftreinhaltung (Nr 10.3.2.2 VwV Beschaffung), für Papierprodukte (Nr. 10.3.2.4 VwV Beschaffung), für IT-Beschaffungen (Nr. 10.4 VwV Beschaffung), zu fair gehandelten Produkten und zur Berücksichtigung der ILO-Kernarbeitsnormen (Nr. 10.3.1.2 VwV), für Lebensmittel (Nr. 10.3.2.3 VwV Beschaffung), zur angemessenen Beteiligung des Mittelstands (Nr. 3 VwV Beschaffung) und zur Losbildung (Nr. 11.1 VwV Beschaffung) sowie zur Förderung der sozialen Integration und der Gleichstellung (Nr. 10.3.1.1 VwV Beschaffung) und zur Beteiligung von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, Blindenwerkstätten und Inklusionsbetrieben (Nr. 8.13.1. VwV Beschaffung).

Bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung ist bei Vergaben ab den EU-Schwellenwerten zu prüfen, ob nachhaltige Aspekte berücksichtigt werden können. Unterhalb der EU-Schwellenwerte sind nachhaltige Aspekte zu berücksichtigen, soweit dies mit verhältnismäßigem Aufwand möglich und sachgerecht ist und sofern ein sachlicher Zusammenhang mit dem Auftrags­gegenstand besteht (Nr. 10.3 VwV Beschaffung). Bei der Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte ist der unter Umständen höhere Preis für die Beschaffung kein Hindernis, sofern er unter Berücksichtigung von § 7 LHO als wirtschaftlich angesehen werden kann.

Hinischtlich der Vergabe freiberuflicher Leistungen verweist Nr. 8.8 VwV Beschaffung auf die Sonderregelung in § 50 UVgO, der regelt, dass öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben sind und dabei soviel Wettbewerb zu schaffen ist, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist. Nr. 8.8 VwV Beschaffung regelt ergänzend, dass unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und aus Wettbewerbsgründen eine Markterkundung durchzuführen oder mehrere Vergleichsangebote einzuholen sind, es denn im Einzelfall rechtfertigen die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände, dass nur ein Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wird (vgl. § 12 Abs. 3 UVgO). Zudem sind die Regelungen zur Dokumentation des Vergabeverfahrens (§ 6 UVgO) auch bei der Vergabe freiberuflicher Leistungen anzuwenden (Nr. 8.8 VwV Beschaffung).

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Dr. Tina Bergmann
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