„Digitalpolitik ist Machtpolitik“ steht im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Fünf der 144 Seiten (Zeilen 2138 ff.) sind explizit in einem eigenen Kapitel der Digitalisierung gewidmet. Darüber hinaus spielt das Thema auch in anderen Kapiteln immer wieder eine Rolle. Der Koalitionsvertrag weist insgesamt ein hohes Ambitionsniveau im Bereich der Digitalisierung auf.

Institutionelle Neuerungen

Die wichtigste institutionelle Neuerung ist die Schaffung eines Ministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung. Bislang war das Digital-Ressort Teil des Verkehrsministeriums. Allerdings enthält der Koalitionsvertrag zu den Befugnissen und Zuständigkeiten des neuen Ministeriums keine Details.

Der Datenschutz soll zentralisiert werden. Die neue Bundesregierung will die Kompetenzen beim Bundesdatenschutzbeauftragten bündeln.

Digitale Infrastruktur

Die neue Bundesregierung will die Gigabitgesellschaft vorantreiben. Datenübertragung soll insbesondere durch flächendeckende Glasfasernetze bis in die Haushalte deutlich schneller werden. Dafür werden staatliche Gelder fließen; allerdings bleibt es beim Grundsatz „Markt vor Staat“. Ein TK-Netzausbau-Beschleunigungsgesetz soll für schnelleren Ausbau der Mobilfunk- und Glasfasernetze sorgen, indem in Anlehnung an die energiewirtschaftsrechtlichen Regelungen ein echtes „überragendes öffentliches Interesse“ auch für den TK-Netzausbau geregelt wird. Darüber hinaus beabsichtigt die neue Regierung, eine resiliente Satelliteninfrastruktur, z.B. für Krisenkommunikation und Internetkonnektivität aufzubauen und souveräne Kapazitäten zur Verbringung von Satelliten ins Weltall von Europa zu schaffen sowie den Rechenzentrumsstandort Deutschland zu stärken.

Digitale Souveränität und KI

Hierdurch soll die infrastrukturelle Basis für eine stärkere digitale Souveränität Deutschlands geschaffen werden. Die Cloud- und KI-Revolution bringt nicht nur neue Softwareanwendungen, sondern auch massiven Bedarf an physischer Infrastruktur mit sich. Ziel der Bundesregierung ist es, mindestens eine der europäischen „AI-Gigafactories“ nach Deutschland zu holen. Dies spiegelt den wachsenden Wettbewerb um KI-Rechenkapazität wider.

Die zukünftige Koalition will Deutschland als „Spitzenstandort für digitale Zukunftstechnologien“ positionieren. Die Förderung von Schlüsseltechnologien wie KI, Quantentechnologie und Mikroelektronik soll zur Stärkung von Deutschlands digitaler Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Nicht nur soll die industrielle KI durch innovationsfreundliche Regulierung gestärkt werden, auch werden massive Investitionen in die KI-Infrastruktur in Aussicht gestellt. Dies wird angesichts des hohen Energiebedarfs von KI durch das an anderer Stelle des Koalitionsvertrags gemachte Versprechen untermauert, wettbewerbsfähige Energiepreise für die Industrie zu gewährleisten. Der Koalitionsvertrag stellt zudem in Aussicht, die Belastungen, die aus der KI-Verordnung (AI Act) für die Wirtschaft entstehen, abgebaut, eine innovationsfreundliche und bürokratiearme Umsetzung der Verordnungen sichergestellt und Digitalrechtakte der EU (z.B. Haftungsregel) angepasst werden.

Online-Plattformen

Der Koalitionsvertrag setzt sich digitale Souveränität auch in Bezug auf Online-Plattformen zum Ziel. Die Entwicklung offener europäischer Plattformmodelle wird begrüßt. Es werden digitalpolitische Kooperationsabkommen mit globalen Partnern, auch aus dem Globalen Süden, angestrebt. Deutschland wird sich in Normierungs- und Standardisierungsgremien sowie Gremien der Vereinten Nationen aktiv einbringen und sich für den Erhalt des freien, fairen, neutralen und offenen Netzes einsetzen.

Die großen Online-Plattformen bleiben im Fokus: Zwar soll die Digitalgesetzgebung der EU innovationsfreundlich sein. Jedoch müssen auch die Grundrechte der Nutzerinnen und Nutzer sowie der faire Wettbewerb geschützt werden, indem Plattformen strafbare Inhalte entfernen und systemische Risiken wie Desinformation aktiv angehen müssen. Die Einführung einer verpflichtenden Identifizierung von Bots wird geprüft. Die Koalition setzt sich für ein Verbot unlauterer Geschäftspraktiken wie Dark Patterns und süchtig machenden Designs ein.

Cybersicherheit

Die neue Regierung schreibt sich auch das Thema IT- und Cybersicherheit, insbesondere bei kritischen Infrastrukturen (KRITIS) auf die Fahnen und ordnet im Koalitionsvertrag Fähigkeiten und Produkte zur Gewährleistung des Schutzes in der digitalen Welt als Schlüsseltechnologien ein, die es zu stärken gilt. Robuste digitale Wertschöpfungsketten, z.B. in der Chip- und Halbleitertechnik, sollen aufgebaut werden.

Die Koalition stellt die Entwicklung einer nationalen Cybersicherheitsstrategie unter Stärkung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Aussicht. Zudem kündigt die neue Regierung an, das BSI-Gesetz im Zuge der Umsetzung der NIS-2-Richtlinie novellieren zu wollen. Auch das Cyberstrafrecht solle einer Reformierung unterzogen werden.

KMU sollen präventive Beratungsangebote und Unterstützung bei der Umsetzung von EU-Regularien wie dem Cyber Resilience Act erhalten.

Digitale Verwaltung

Der Koalitionsvertrag verankert das Digital-Only & Once-Only-Prinzip für Verwaltungsdienstleistungen. Damit soll sichergestellt werden, dass Bürgerinnen und Bürger Daten künftig an einer Stelle hinterlegen können und nicht bei jedem Verwaltungsvorgang erneut angeben müssen. Für staatliche Leistungen soll auf das Antragserfordernis verzichtet werden. Der Koalitionsvertrag nennt ein konkretes Beispiel: „Etwa nach der Geburt eines Kindes sollen Eltern automatisch einen Kindergeldbescheid erhalten.“ Auch für Unternehmen soll es einfacher werden: Angestrebt wird eine Registermodernisierung. Das Schriftformerfordernis soll als Digitalisierungshemmnis abgebaut werden.

Dr. Barbara Stamm
Dolde Mayen & Partner Rechtsanwälte
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