Am 18.08.2024 ist die Verordnung (EU) 2024/1991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.06.2024 über die Wiederherstellung der Natur und zur Änderung der Verordnung (EU) 2022/869 in Kraft getreten. Die Verordnung ist ab ihrem Inkrafttreten in Deutschland unmittelbar anwendbar. Sie ergänzt und erweitert die bestehenden Regelungen des europäischen und nationalen Umweltrechts.
Die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur schreibt vor, dass in großem Umfang Lebensräume und Habitate erfasst, beplant, wiederhergestellt, verbessert, neu geschaffen und erhalten werden sollen. Wesentliche Inhalte dieser Wiederherstellungspflichten sind:
- Lebensräume: Wiederherstellung des guten Zustands vorhandener Lebensräume an Land und im Meer und Schaffung neuer Flächen dieser Lebensräume mit ambitionierten Flächenzielen bis 2030, 2040 und 2050,
- Arten: Verbesserung der Habitate bestimmter Arten an Land und im Meer bis eine ausreichende Qualität und Quantität dieser Habitate erreicht ist,
- Städtische Ökosysteme: Verbot eines Nettoverlusts an der nationalen Gesamtfläche städtischer Grünflächen und städtischer Baumüberschirmung bis Ende 2030, danach Verpflichtung zur Verbesserung und Vergrößerung dieser Ökosysteme bis ein zufriedenstellendes Niveau erreicht ist,
- Gewässer: Ermittlung und Beseitigung künstlicher Hindernisse in Gewässern, um in der Union bis 2030 frei fließende Flüsse in einem Umfang von 25.000 Flusskilometer zu erreichen; hiermit einhergehend Verbesserung der Auen dieser Gewässer,
- Bestäuber: Umkehr des Rückgangs der Bestäuberpopulationen bis spätestens 2030 und anschließende Verbesserung bis ein zufriedenstellendes Niveau erreicht ist,
- Landwirtschaft: Verbesserung der biologischen Vielfalt landwirtschaftlicher Ökosysteme und Erreichung bestimmter Indexwerte bis Ende 2030 und danach alle sechs Jahre bis ein zufriedenstellendes Niveau erreicht ist; Erreichung bestimmter Indexwerte häufiger Feldvogelarten bis 2030, 2040 und 2050; Wiederherstellung entwässerter Moorböden mit ambitionierten Flächenzielen bis 2030, 2040 und 2050,
- Wald: Verbesserung der biologischen Vielfalt von Waldökosystemen und Erreichung bestimmter Indexwerte bis Ende 2030 und danach alle sechs Jahre; Verbesserung des Index häufiger Waldvogelarten bis Ende 2030 und danach alle sechs Jahre bis ein zufriedenstellendes Niveau erreicht ist,
Die Wiederherstellungsmaßnahmen sollen einen Beitrag zur Erfüllung der Verpflichtung der Union leisten, bis 2030 mindestens 3 Milliarden zusätzliche Bäume auf Unionsebene zu pflanzen.
Die Einzelheiten sind in einem nationalen Wiederherstellungsplan festzulegen, den Deutschland der Kommission bis zum 01.09.2026 im Entwurf vorlegen muss. Danach hat die Kommission sechs Monate Zeit, um Anmerkungen zu übermitteln. Der Wiederherstellungsplan ist anschließend zu überarbeiten, zu veröffentlichen, umzusetzen und fortzuschreiben.
Die Verordnung schafft im deutschen Recht das neue Instrument der Wiederherstellungsplanung. Es wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf. Beispielsweise führt der umfangreiche Zugriff auf Flächen zu Landnutzungskonflikten. Die Auswahl und Ausweisung von Wiederherstellungsflächen führt möglicherweise zu ähnlichen Rechtsstreitigkeiten wie bei Ausweisung der FFH-Gebiete. Ähnlich wie bei der Wasserrahmenrichtlinie stellt sich die Frage, welche rechtliche Bedeutung der nationale Wiederherstellungsplan und die zahlreichen Verbesserungsgeboten und Verschlechterungsverbote in einzelnen Zulassungsverfahren haben.
Dr. Bernd Schieferdecker
Dolde Mayen & Partner Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
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